Erlebnisbericht: Bondageunfall

Nach allem, was wir wissen, ist es beim Bondage nicht möglich, einen Nervenschaden mit absoluter Sicherheit zu verhindern. Alle Tipps, die wir geben, können nur helfen, das Risiko gering und den späteren Schaden in Grenzen zu halten. Nun ist es trotz etlicher Erfahrung und unzähligen Bondage-Sessions auch bei Yice zu einem Unfall gekommen.
Leider werden solche Vorfälle fast immer verschwiegen und unter den Teppich gekehrt. Das wollen wir an dieser Stelle anders machen. Dabei sei allerdings gesagt, dass es natürlich sowohl für den Rigger als auch für das Bunny ein gewisses Risiko darstellt, so etwas zu veröffentlichen, da beide Schwierigkeiten bekommen können, nochmal einen Fesselpartner zu finden, wenn bereits bekannt ist, dass es da schon zu einem Unfall kam. Es ist deshalb unbedingt nötig, dass solch ein Bereicht das Einverständnis aller Beteiligten hat!
Yice und Freya waren sich allerdings einig, dass sie dennoch über diesen Vorfall berichten wollen. Und so hat Yice nun detailliert beschrieben, wie sich alles zugetragen hat. Wir haben dafür kursive Schrift gewählt. Anmerkungen sind in normaler Schrift. Außerdem gibt einige Bilder im Nekobari-Stil, zum besseren Verständnis, die aber natürlich nur eine ähnliche Situation zeigen. Es ist alles sehr ausführlich, denn gerade die Details können für jemanden in einer ähnlichen Situation sicher sehr wertvoll sein.

Hier also der Bericht von Yice:

Erlebnisbericht_Bondageunfall1– Freya und ich kannten uns nun schon ein paar Wochen und trafen uns gelegentlich. Wir hatten viel Spaß am gemeinsamen Bondage und genossen diese Zeit zusammen. Da wir beide sehr an Bondagefotografie interessiert waren, wollten wir auch ein paar schöne Fotos machen. 3 Tage danach trafen wir uns wieder und waren noch voller Energie, wieder los zu fesseln. Ich fesselte sie in einen Karada und danach in einen Boxtie (3 Seile TK) für eine Suspension. Es war nichts neues für uns, da wir diese Art der Hängebondage schon 2 Mal zusammen gemacht hatten. Ich habe diese auch schon sehr oft mit anderen gemacht und sie hing auch schon öfter auf Partys in vergleichbaren Suspensions.
Ich fesselte sie also in den Boxtie und einen Hüftgurt, sowie jeweils ein Seil an jeden Fuß. Danach machte ich sie an dem Bondagering fest, bis sie vollständig in der Suspension hing.

Erlebnisbericht_Bondageunfall2Ich wollte Bilder davon auch machen, jedoch war die Bondage heute für sie recht anstrengend und ich ließ sie schon nach 2 Minuten wieder herunter. Legte meine Hand in ihre und prüfte, ob noch alles in Ordnung sei. Fragte sie also, ob sie alles spüre oder irgendwas kribbelt und ließ sie 2 mal kräftig zudrücken und prüfte, ob sie kalten Schweiß hat. Keinerlei Anzeichen waren besorgniserregend. Ich fing an, sie vom Ring loszubinden und sie bat mich darum, den TK  noch ein wenig dran zu lassen, da er sich grade so schön anfühlt und es ihr sehr gut dabei geht. Ich hatte keinen Grund gesehen, ihr diesen Wunsch nicht zu erfüllen und wir gingen herüber, um uns hinzusetzen und ein wenig auszuruhen.

Nach weiteren 10 Minuten sagte sie, dass ihre Hände langsam kribbeln und dass wir wohl die Bondage leider lösen sollten. Machten wir auch sofort und 2 Minuten später war sie komplett befreit. Leider habe ich nicht schnell genug reagiert in diesem Moment, denn sie zog ihre Arme nach vorne und streckte sie und dehnte sie. –

In ein paar Bondagebüchern steht, dass man dem Ropebunny überlassen sollte, wann und wie viel er/sie die Arme strecken will. Das ist eventuell ein wenig missverständlich, da der Rigger trotzdem aufpassen sollte, dass das Ropebunny sich nicht zu schnell bewegt. Umgekehrt ist es natürlich auch nicht gut, wenn der Rigger die Gliedmaßen selbst streckt und dehnt, weil das Ropebunny eher spürt, wenn es schmerzt. Es kann in jedem Fall nicht schaden, das Bunny ruhig jedes Mal darauf hinzuweisen, dass sie sich erstmal nur langsam bewegen soll, wenn die Fesseln gelöst sind oder die letzten Seile nur sehr langsam zu lösen.

Erlebnisbericht_Bondageunfall3– Jedenfalls war sie wieder frei und da wir schon entspannt hier saßen, fing ich an, meine Seile wieder aufzuwickeln. Nach 3 Minuten sah ich, dass sie ihre Hände vor mir versteckte. Ich fragte, was los sei und bekam die Antwort, dass sie ihre Hände nicht bewegen könne. Ich war ein wenig erschrocken, ich kannte das ja, dass man noch paar Minuten ein kribbelndes Gefühl hat und sich die Hände bzw. Arme erstmal regenerieren müssen. Aber keinerlei Bewegung war schon extrem. Ich sah mir ihre Arme und Hände genauer an und massierte ein wenig, dabei stellte ich dann fest, dass sie 2 Fallhände hatte. Als nach weiteren 3 Minuten keinerlei Besserung eintrat, überredete ich sie, ins Krankenhaus zu fahren.

Dort angekommen, wurde sie sofort in die Notaufnahme gebracht und ich musste im Wartezimmer Platz nehmen. Natürlich hatte ich Sorge um sie und hoffte, dass alles wieder in Ordnung kam. Ich ermahnte sie bevor wir getrennt wurden nochmals, dass sie auf jeden Fall die komplette Wahrheit berichten sollte, da ich der festen Überzeugung war, dass dies notwendig ist.

Erlebnisbericht_Bondageunfall4Im Wartezimmer machte ich mich ebenfalls darauf gefasst, gleich mit der Polizei sprechen zu müssen. Ich habe schon oft davon gehört, dass dies passierte. Da sie ja noch Ropemarks trug und von einer SM-Session auf einer Party noch blaue Flecke hatte, fände ich es vollkommen richtig, dass in so einem Fall die Polizei eingeschaltet wird, die dann nachprüft ob es wirklich einvernehmlich war/ist. In meinem Fall passierte dies allerdings nicht.

Nach weiteren 30 Minuten kam Freya zurück mit der Diagnose: Fallhände. Ich war ein bisschen empört, denn dies wusste ich schon, seit wir losgefahren sind. Sie schickten uns nach Hause mit der Aussage: „Da können wir leider nichts tun, wenn Sie da sowas machen kann das passieren. Kommen Sie morgen wieder, falls es noch nicht besser geworden ist.“

Wir fuhren nach Hause und waren sehr erschrocken und vor allem in großer Sorge, ob sie jemals wieder ihre Hände benutzen könnte. Ob sie eventuell nie wieder etwas mit ihren Händen machen kann und von nun an behindert sein würde und ich eventuell  mit dem Gewissen leben musste, ein junges Mädchen verkrüppelt zu haben. Ich schob meine Sorgen zur Seite und versuchte ihr zu helfen wo es nur ging. –

Hier ist genau der Punkt, wo viele Rigger anscheinend sagen: „Okay, ist blöd gelaufen, erzähl das bitte niemandem. Man sieht sich. Bye. – Kannst ja mal schreiben, ob es besser wird.“ Zumindest haben wir dies im Nachhinein von ein paar Ropebunnys und Riggern erfahren. Dies finden wir allerdings unverantwortlich! Es ist zwar richtig, dass beide das Risiko eingegangen sind und sich dessen auch bewusst waren. Aber es ist das Ropebunny, das nun mit dem Schaden leben muss bzw. am Anfang auch äußerst hilflos ist. In dem beschriebenen Fall konnte sie ja nicht mal alleine etwas trinken, geschweige denn essen, anziehen, ausziehen, duschen und vor allem auch nicht die Schuhe anziehen. Ohne Schuhe vor die Tür zum Krankenhaus im tiefsten Winter? Selbst wenn die Auswirkungen nicht so drastisch sind, sollte der Rigger – in unseren Augen – Sorge dafür tragen, dass das Ropebunny zurechtkommt und weiß, welche Hilfe er oder sie braucht.

Erlebnisbericht_Bondageunfall5– Am nächsten Tag, nach einer schlaflosen Nacht, sind wir ohne jegliche Verbesserung des Zustands wieder ins Krankenhaus gefahren, wo man uns dann sagte, dass wir dort nichts zu suchen hätten, sondern zu einem Hausarzt fahren müssten. Die Ärztin die gestern noch sagte wir sollen wiederkommen, hatte wohl ihre Meinung geändert und schickte uns nun weg. Es war Freitag 12:00 Uhr, in einem Dorf. Wir fanden nur schwerlich einen Hausarzt bzw. Hausärztin, der/die noch offen hatte. Konnten uns mit dem Anblick von Freyas Händen aber noch einen Termin ergattern. Die Hausärztin guckte sich die Hände an und sagte, wir müssen dringend und sofort ins Krankenhaus. Als ich erzählte, dass wir von dort grade kamen, wusste sie nicht, was los war und rief einen Neurologen an, den sie privat kannte. Versuchte ihn zu überreden, uns spontan noch zu behandeln, obwohl er eigentlich schon geschlossen hatte. Er akzeptierte dies nach langer Diskussion und wir fuhren zu ihm. Dieser sah nur die Fallhände und sagte sofort: „Das sind Fallhände, brauche ich gar nicht weiter zu gucken… Sie müssen sofort ins Krankenhaus! Die müssen das durchchecken und überprüfen, ob eventuell noch etwas eingeklemmt ist.“
Mit 2 Überweisungsscheinen ans Krankenhaus fuhren wir wieder dorthin und ich machte an der Rezeption Druck, dass sie uns jetzt, durch die Überweisungsscheine, aufnehmen müssen. Nach etwas Murren und Diskussion taten sie es dann auch.

Diesmal durfte ich auf mein Drängen und der Erklärung, dass ich sehr genaue Informationen geben kann, was wo wie genau drauf gedrückt hat, auch mit in die Notaufnahme. Freya wurde stationär aufgenommen und die Hilfsärzte machten sie fertig. Nach 30 Minuten kam nun endlich der wohl über die Grenzen hinaus bekannte Chefneurologe herein. Dieser stand in der Tür und sagte wortwörtlich nur: „Die junge Dame kann wieder nach Hause, da können wir Ihnen auch nicht helfen. Wenn sie so ein Blödsinn machen, sollten sie mit diesem Ergebnis rechnen. Da sind sie selber Schuld und sollten es in Zukunft unterlassen.“ Er wollte schon wieder gehen, als ich ihn nochmal zur Rede stellte. Jedoch bekam ich nur die Antwort, dass, wenn es in 3 Wochen nicht besser geworden sei, sie ja den Arm mal durchmessen könnten. Ohne auf weitere Fragen zu reagieren, drehte er sich um und verschwand, während die Hilfsärzte Freya schon wieder von den Messgeräten losmachten und ihr sagten, sie solle sich ankleiden und gehen. Sie war vollkommen fertig mit der Welt und hatte einen psychischen Zusammenbruch. Ich wiederum versuchte vor Zorn und Hilflosigkeit nicht alles kurz und klein zu schlagen.

Erlebnisbericht_Bondageunfall6Zuhause angekommen, kümmerte ich mich ein paar Tage um Freya, da sie erstmal mit ihrer Behinderung umgehen lernen musste und sonst nicht wirklich jemanden hatte. Ich setzte alle Hebel in Bewegung und ließ meine Beziehungen spielen, einen Physiotherapeuten über die Weihnachtsfesttage zu erreichen, der sie sich  mal angucken sollte. Denn (und das finde ich das Schlimmste von alldem) bis genau zu diesem Zeitpunkt hatte sich noch kein Arzt ihren Arm wenigstens überhaupt mal angeguckt. Nicht mal ihren Pullover hatte sie ausgezogen. Wäre der Arm komplett blau angelaufen und hätte Blutungen gehabt, hätte es noch kein Arzt bemerken können.

Der Physiotherapeut kam ein paar Tage später zu einem Hausbesuch von weit weg. Untersuchte den Arm genauer und stellte ein paar Druckpunkte am Oberarm fest, wo sie starke Schmerzen spürte. Seine Diagnose war, das sie ganz dringend Physiotherapie braucht, da sich die Muskeln verkrampfen und die Nerven eventuell noch zusätzlich eingeklemmt werden, bzw. eventuell sogar noch eingeklemmt waren und wenn dies nicht behandelt werden würde, eine dauerhafte Schädigung sehr wahrscheinlich ist. Außerdem brauchte sie dringend Fallhandschienen, damit die Hände nicht dauerhaft herunterhängen, da dies zu anderen, weiteren Nervenschäden führen könne. Mit einem dringenden Empfehlungsschreiben konnten wir nach langer Diskussion von einem Hausarzt ein Rezept für eine Physiotherapie bekommen. Diese brachte zwar nur sehr langsame Fortschritte, aber jedesmal am Tag nach der Therapie traten kleine Verbesserungen auf.

Es ist immer noch nicht ausgeschlossen, dass ein dauerhafter Schaden bestehen bleibt, aber die Chancen stehen sehr gut für eine völlige Genesung in 3-6 Monaten. Sozusagen Glück im Unglück. Ihren Kellnerjob hat sie allerdings verloren und es war auch ungewiss, ob sie jemals wieder als Bühnenbildnerin arbeiten könnte. Doch beides sollte wieder machbar sein, in 1-2 Monaten. –

 

8 Wochen nach dem Unfall:

– Ich betreibe vorerst keinerlei Hängebondage mehr, da ich dies schon vorher nicht unbedingt brauchte. Bodenbondage hingegen war mir immer sehr wichtig und ich muss gucken, dass ich meinerseits die Panik wieder in den Griff bekomme. Denn zur Zeit kann ich mich dabei kein bisschen mehr entspannen. Zu meinem großen Glück gibt Freya mir nicht die Schuld und wir haben weiterhin viel Kontakt.

Freya hat hier und da noch kleine psychische Einbrüche, ist jedoch auf einen guten Weg und sie ist sogar teilweise dankbar für den Unfall, da sie nun vorsichtiger an BDSM-Praktiken heran geht und ein wenig in ihrem Lauf, einfach Dinge zu tun, ohne sich genauer zu informieren, gebremst wurde. Dennoch will sie in keinen Fall auf Bondage verzichten und hofft, dass sie es eines Tages wieder in vollen Zügen genießen und sich den Seilen hingeben kann. –

 

Erschreckend ist nach wie vor die teils fehlende Hilfsbereitschaft der Ärzte. Das Prinzip des „Hätten Sie mal nicht… Das ist also ihr Pech.“ kann man auf beinahe jedes Hobby anwenden. Fast alle körperlichen Aktivitäten bringen die Gefahr eines Unfalls mit sich, der dann ärztliche Hilfe benötigt. Es ist leider zu vermuten, dass andere sexuelle Praktiken, wie z.B. Analsex bei einem Mann, dann auf ähnliche Reaktionen stoßen, wenn mal etwas schief läuft. Dennoch halten wir es nicht unbedingt für sinnvoll, die Ärzte aufgrunddessen anzulügen. Es ist allerdings offenbar manchmal notwendig, hartnäckig zu bleiben und notfalls (natürlich immer ruhig und sachlich) mit juristischen Maßnahmen, zum Beispiel aufgrund von unterlassener Hilfeleistung, zu drohen. Diesen Erfahrungen nach ist es absolut unerlässlich, dass ein Fachmann die Notwendigkeit eine Physiotheraphie fundiert überprüft und diese dann ggf. auch verschreibt!

Zu den Unfallursachen können wir leider nichts endgültiges schreiben. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die eine Rolle gespielt haben werden. Zum einen ist eine Suspension sowieso immer sehr risikoreich bzw. belastend für die Nervenbahnen. Leider ist auch nie ganz sicherzustellen, dass die Seile keine Nerven treffen, da jeder Mensch anders ist und entsprechend auch die Nerven nicht immer an der gleichen Stelle verlaufen. Dazu kam, dass Freya nur 2 Tage Pause nach der letzten Suspension hatte und in dieser Zeit nicht ausreichend geschlafen hat, was Yice aber nicht wusste. Um den Schlafmangel zu kompensieren, hat sie zudem viele Energy-Drinks getrunken, was absolut nicht förderlich für das Nervensystem ist. In der Hängebondage hat sie sich womöglich dann zu sehr entspannt (besonders starkes Entspannen nach dem Stress der Übermüdung). Und letztlich wird das zu schnelle Strecken nach der Bondage wahrscheinlich auch ein sehr wichtiger Faktor gewesen sein. Soweit jedenfalls haben unsere Recherchen ergeben, was schief gelaufen sein könnte.

Wir werden den Artikel hier aktualisieren sobald es Neuigkeiten gibt. Wer also am weiteren Verlauf interessiert ist, kann ab und zu mal hier rein schauen.